Unterwegs zum ersten Roman

 

Elf junge Autorinnen arbeiten mit Hartmut Fillhardt in der Schreibwerkstatt

 

Eltville. (chk) – Es ist ein symbolträchtiger Ort, an dem elf Mädchen zwischen 13 und 16 Jahren zum Schreiben zusammengekommen sind, denn Türme regten schon immer Schriftsteller, Dichter, Stadtschreiber und Turmschreiber zu kreativen Werken an. Mit dem Leiter der Schreibwerkstatt, Hartmut Fillhardt, sind die Mädchen in die oberste Etage des Stadtturms gestiegen, um in dem lichten Raum unter seiner Anleitung ihre Schreibprojekte voranzubringen. Vier von ihnen haben schon im vergangenen Sommer an der Ferienschreibwerkstatt teilgenommen. Doch in dieser neuen Werkstatt, die sich über neun Samstage durch das ganze Jahr zieht, wollen sie alle noch mehr erreichen: Sie wollen nicht nur Kurzgeschichten schreiben, sondern auch an größeren Erzählungen und Romanen arbeiten. Natürlich sind sie alle hoch motiviert, sonst würden sie nicht ihre Samstage dafür „opfern“.

Einige von ihnen erklären, was sie antreibt. „Ich schreibe total gern Geschichten und Gedichte“, sagt die 14-jährige Marie Dirlenbach. „Ich verspreche mir von dieser Werkstatt, dass ich noch vieles verbessern kann, den Austausch mit den anderen habe, die auch gern schreiben, und dass ich Texte an Verlage schicken kann.“ Sie hat die Idee für ein Buch im Kopf, hat die Vorarbeit zu Hause geleistet und schon mit dem Schreiben begonnen.

Auch Rebecca Faust hat schon zu Hause mit einem Buch angefangen. „Die Grundidee ist da“, verrät sie, „aber ich will sie hier ausarbeiten.“ Ihr Roman wird von einem Mädchen handeln, das mit einem Drogensüchtigen befreundet ist. „Ich habe zu diesem Thema recherchiert und festgestellt, dass die Phantasie recht nahe an der Realität ist.“

Annabelle Baum (15), erklärt: „Für mich ist es wichtig, Gefühle und Gedanken besser verarbeiten zu können, indem ich sie ausformuliere. Außerdem wird das kreative Schreiben gefördert durch die Eindrücke, die man hier durch andere Teilnehmerinnen bekommt und durch Herrn Fillhardt.“ Die 14jährige Katja Knehr schätzt den Austausch mit anderen Jugendlichen, die auch schreiben. „Es ist toll, dabei neue Erfahrungen zu sammeln“, stellt sie fest. „Wir lesen Gedichte vor, die wir hier schreiben oder auch schon vorher geschrieben haben“, berichtet Annika Hecht (16). „Diejenigen, die zuhören, sagen, was sie dabei fühlen. Das ist wichtig, damit wir wissen, wie das verstanden wird, was wir geschrieben haben.“ Dass sich keine Jungen für die Schreibwerkstatt angemeldet haben, scheint die Mädchen nicht zu überraschen. „Die meisten Jungs in dem Alter schreiben nicht gern – und schon gar nicht über Gefühle“, ist eine Einschätzung, der sich fast alle anschließen.

Die erste Aufgabe war, sich selbst in Gedichtform vorzustellen, ob Reim, Freestyle oder Haiku durften die Teilnehmerinnen selbst wählen. „ … ganz weit weg im Nirgendwo, irgendwo nur nicht hier …“, schrieb Marie Dirlenbach in ihrem Gedicht.

Hartmut Fillhardt bietet die Schreibwerkstatt in Zusammenarbeit mit der Mediathek an. Am Ende des ersten Schreibtages war er genauso zufrieden wie die Teilnehmerinnen. 17 Gedichte und elf Geschichtenanfänge in den Notizheften waren die „Ausbeute“. „Und ganz viele Fragen und Ideen für die nächsten Schreibsamstage“, berichtet Fillhardt. „Der Turm des Stadtarchivs Eltville hat gerade für mich als Schriftsteller etwas Geheimnisvolles, Abenteuerliches. Es ist ein guter Ausgleich, aber vorher hatte ich Bedenken, ob der Aufstieg über die steilen Treppen von allen Teilnehmerinnen klaglos hingenommen wird.“ Und er wurde klaglos hingenommen. „Der Ausblick über Rhein und Dächer ist mindestens genauso viel wert wie das gemütliche Turmzimmer.“ Am Nachmittag nutzten einige der eifrigen Teilnehmerinnen sogar der Fußboden zum Schreiben. Die Gruppe wusste den großartigen Raum mit seinem Rundblick zu schätzen „Nur im Sommer, da würden wir gerne wieder im Burghof unter den Bäumen schreiben“, ließen die Schreiberinnen ihren Werkstattleiter wissen. Und im Winter, beim Abschluss der Schreibwerkstatt im Dezember, wollen sie ihr erstes größeres Werk vorlegen. Wer weiß, welche erfolgreichen Schriftstellerinnen eines Tages auf ihre Anfänge im Eltviller Stadtturm zurückblicken?

 

Text und Foto: Christa Kaddar
Rheingau Echo vom 16. Februar 2012